Die Disziplin der Meditation
„Der Gedanke ist sonnenhaft“
Die Meditation ist eine wichtige Grunddisziplin des ökologischen Projekts und der freien spirituellen Hochschule in Naone. Dort soll das Ideal einer „Sonnenoase“ leben. Die Sonne sendet in einer ununterbrochenen Aktivität Licht und Wärme aus und ermöglicht dadurch Wachstum, Entwicklung und Leben auf der Erde.
Wie ist nun eine Meditationspraxis zu denken und aufzubauen, bei der der Mensch wie eine Sonne Wärme- und Lichtkräfte für die Umgebung, für andere Menschen und für die gesamte Erdensphäre freisetzt?
Da es physikalisch nicht vorstellbar ist, dass der Mensch in einem direkten Sinne wie beispielsweise eine starke Lampe zu leuchten beginnt und äußerlich Licht und Wärme ausstrahlt, muss eine Vorstellung der Licht- und Wärmekraft der Sonne im vertieften metaphysischen Sinn miteinbezogen werden.
Aus esoterischer Forschungsarbeit berichtet Heinz Grill an vielen Stellen in seinem Werk von einer sogenannten „inneren Qualität“ des Sonnenlichts1, die darin charakterisiert ist, dass im sichtbaren Sonnenlicht und in der spürbaren Sonnenwärme feine, nicht mit den äußeren Sinnen wahrnehmbare, aber durch Schulung zunehmend empfindbare Qualitäten die Erde und den Menschen erreichen. Diese bezeichnet er als „Lichtäther“ und „Wärmeäther“.
In Bezug auf diese inneren Qualitäten der Sonne ist der Gedanke selbst sonnenhaft, so Heinz Grill in einer Meditation im Juni 2021.
„Der Gedanke ist sonnenhaft“
Wenn der Gedanke sonnenhaft ist, dann kann er dem Menschen als reale Grundlage dienen zu einer Meditationspraxis, die sonnenhafte Kräfte in die Existenz bringt.
Es ist erwähnenswert, dass das Attribut „sonnenhaft“ nicht grundsätzlich allen Gedanken, denen wir in Büchern, Zeitungen und im täglichen Leben begegnen, zugeteilt werden kann. Um einen Gedanken, der diesem Attribut gerecht wird, niederzuschreiben, muss der Autor in unmittelbarer Erfahrung und Anschauung zum jeweiligen Thema gegründet sein. Man könnte sagen, der Autor muss das Bild einer Sache aus deren sinnlich verborgenem oder metaphysischem Urgrund erfassen und es so getreu und weisheitsvoll in Worte kleiden, dass deren tiefster Gehalt, die Essenz und damit auch der seelisch-geistige Aspekt dieser Sache darin leben kann. Noch beigemischte Projektionen, versteckte Absichten oder gefühlsmäßige Schwärmereien würden einen freien sonnenhaften Gedanken nicht zulassen.
Zur Meditationspraxis an der Hochschule werden deshalb geistig hochstehende Inhalte ausgewählt, wie sie in guter Literatur beispielsweise in den Evangelien, in der Bhagavad Gita, in den Schriften von Heinz Grill, Rudolf Steiner oder bedeutenden Philosophen anzutreffen sind.
Gegenstandsbezogene aktive Meditation
Bei der Meditation tritt der Mensch nun einem gewählten universalen, gültigen Gedanken gegenüber. Es gibt somit ein Subjekt und ein Objekt. Die Meditation ist gegenständlich und hat einen Gedanken zum Inhalt. Das Ziel ist nicht ein Leerwerden von Gedanken, sondern der erwählte Gedanke rückt in das Zentrum der Aufmerksamkeit und der denkenden Aktivität des Menschen. Er wird denkend regelrecht erschaffen und in ein Sein, in ein sat, wie es in Sanskrit ausgedrückt werden kann, geführt. Wenn dies mit einiger Erfahrung gelingt, wenn der Gedanke durch die gut abgestimmte Aktivität des Menschen wie über seinem Haupt oder im Raum lebendig existent wird, dann ist er sozusagen in die Welt hinein geboren und kann sowohl den Menschen sonnenhaft begleiten als auch seine Wärme- und Lichtqualitäten für ein weites Umfeld abgeben.
Praktische Gesichtspunkte zur Meditationspraxis
In den folgenden praktischen Gesichtspunkten der Meditation sollen einige Zitate aus den Meditationsinhalten, die Heinz Grill seit 2020 für interessierte Personen verfügbar macht, zur Darstellung kommen. Im Inhalt Nr. 89 erwähnt er die Zielrichtung, dass die Meditationsarbeit als eine Gabe zur Welt verstanden werden kann:
„Dieser Grundsatz, dass die Meditation wie ein Geschenk an die Welt ist und eine Art Selbstüberwindung und Selbstzurückhaltung erfordert, damit ein größeres Bewusstsein zum Auferstehen gelangen kann, sollte nun ganz am Anfang des Verständnisses stehen.“
Der erwählte Gedanke wird am besten auswendig gelernt, damit er für die Betrachtung verfügbar ist und kann im weiteren Verlauf dem Menschen so nahe sein, wie die Melodie eines Liedes für den Sänger nahe ist.
Ein aufgerichteter Rücken ist empfehlenswert, da der Mensch durch diese Haltung besser in eine Konzentration findet. In einem nächsten Schritt folgt die Beobachtung des Körpers sowie der momentan gegebenen Gefühle und Gedanken. Es ist sinnvoll, sich dieser bewusst zu werden und sie zu objektivieren, damit sie die schaffende Betrachtung des Gedankens nicht zu stören vermögen.
Nun beginnt das Denken des Gedankens. Man kann sich beispielsweise vorstellen, dass der Gedanke mit seinen Buchstaben und Wörtern außerhalb von sich selbst gedanklich in den Raum geschrieben wird.
„Für jegliche Meditation und Übungsansätze zum geistigen Schauen muss der Aspirant auf der gedanklich übergeordneten Ebene oder anders ausgedrückt, in einem freien gültigen und erhobenen Gedanken verweilen. Er darf nicht in das Leibinnere oder in die unruhigen astralen Gefühlsströme, die vom Körper gelenkt werden, hinabgleiten. Das geistige Schauen ist deshalb mit einem, wenn man es mit einem Begriff ausdrückt, Ehrgefühl des wachen Wahrnehmens und der Haltung der grundsätzlichen, freien Bewusstheit verbunden.“ (Meditationsbrief Nr. 34)
Die Erfahrung zeigt, dass dieses wache Wahrnehmen für die gesamte Zeit der Konzentration auf den Gedanken wichtig ist. Es gilt Müdigkeit zu überwinden, Ablenkungen vom Inhalt oder allerlei Ungeduld zu bemerken und sich wieder zur vorgenommenen Aktivität zurückzuführen:
„Die Subjektivität, Müdigkeiten, persönliche Sympathien, Antipathien, Unruhen, schlechte Tagesverfassung oder Gemütsneigungen dürfen für die Meditation keine wegweisende Bedeutung haben. Sie sind schlichtweg zu überwinden beziehungsweise in die Nebenkammer zu stellen.“ (Meditationsbrief Nr. 48)
Die folgende Aussage nimmt Bezug auf den ausstrahlenden Gedanken und seine Rückwirkung auf den Menschen:
„Ein Meditationsinhalt spricht sich, wenn er frei gedacht und im Bewusstsein einige Zeit lebt, wie eine übergeordnete Sonne lichtvoll aus. Aus dem Meditationsinhalt selbst und nur aus diesem selbst und seiner Gedankenform entsteht die Erkenntnis und nicht aus dem Körper. Es ist der gedanklich gefasste Meditationsinhalt in seiner Form, der sich aus sich selbst erweitert, sich offenbart, der erstrahlt und schließlich auf den Körper zurückwirkt.“ (Meditationsbrief Nr. 62)
Durch das Denken aufgebaute Gedanken wirken sich auch auf unsere Mitmenschen und die gesamte Welt aus:
„Je mehr Menschen gute und beste Inhalte in der Konzentration edifizieren und sie zu seelenvollen Empfindungen machen, desto mehr strahlt in den Nächten in den Kosmos hinein und es könnte auf dieser Grundlage die Möglichkeit bestehen, dass Lügen zurückweichen und Kulturelemente auferstehen.“ (Meditationsbrief Nr. 59)
Oben wurde erwähnt, dass ein Autor, der Gedanken frei und sonnenhaft niederschreiben möchte, in der Lage sein muss, evtl. beigemischte eigene Projektionen, versteckte Absichten oder gefühlsmäßige Schwärmereien zu erkennen und diese herauszufiltern. Für den Menschen, der nun einen solchen Gedanken zu einer sonnenhaften Ausstrahlung und damit zur Verfügbarkeit für die Welt führen möchte, gilt ein vergleichbarer Anspruch:
„Personen möchten gerne den Meditationsinhalt sofort verstehen und meinen damit, dass sie ihn nicht nur begreifen, sondern im wahrsten Sinne ergreifen wollen, aber dies wäre ein wirkliches Ergreifen mit dem Willen, wodurch die Sonne in den Gedanken getötet wird. Die Meditationsinhalte sollten zum Leben erweckt werden und, wie bereits ausgedrückt, als lebendige Melodien den Menschen durch den Tag begleiten. Sie sprechen sich dann in kontemplativen Momenten mit ihrer Weisheit aus.“ (Meditationsbrief Nr. 59)
Bildhaft zusammenfassend veranschaulicht die folgende Wandmalerei eines italienischen Künstlers die Auswirkung der hier beschriebenen Meditationspraxis. Die Sonne scheint nicht auf die Umgebung, sondern aus ihrem Umkreis gehen Strahlen auf sie zu.
Es ist das Ziel der hier beschriebenen Meditation, dass der Mensch selbst zu einer kleinen Sonne wird und damit zur selbstaktiven Quelle von ausstrahlenden, lebensspendenden Licht- und Wärmekräften.
Literaturhinweise zur weiteren Vertiefung und inhaltlichen Auseinandersetzung:
Rudolf Steiner, „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten“
Heinz Grill, „Übungen für die Seele“
1siehe z. B. „Das Wesensgeheimnis der Seele“ S. 30 ff und S. 252
Artikel von Heinz Grill vom 9. April 2021: